Der HOFER GOLDPREIS der Friedrich-Baur-Stiftung vergeben durch die Bayerische Akademie der schönen Künste in memoriam Heinz Badewitz wurde in diesem Jahr zum vierten Mal vergeben. Er ist einer der höchstdotierten Preise für Nachwuchsfilmemacher, die in Deutschland ausgelobt werden. Der Preis zeichnet die Erstlingsarbeit einer Regisseur*in für einen Langspielfilm deutscher Produktion aus, die in Hof Premiere feiert. Der HOFER GOLDPREIS ist mit einem Wert von zur Zeit ca. 36.000,- € in zertifiziertem Gold dotiert, verbunden mit einer einjährigen Mentoren-Beratung. In diesem Jahr hat Regisseur, Produzent und Leiter der Abteilung Film- und Medienkunst der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, Philip Gröning, die Aufgabe übernommen. Die Preisträger*innen erhalten zu dem Goldbarren auch eine Stehle "Heinz-Badewitz-Preis", die in der Designfachschule Selb entworfen wurde.
HOFER GOLDPREIS der Friedrich-Baur-Stiftung vergeben durch die Bayrische Akademie der schönen Künste in memoriam Heinz Badewitz 2021 geht in diesem Jahr zu gleichen Teilen an
an den Regisseur LUKAS RÖDER für seinen Film GEHIRNTATTOO
und die Regisseurin ALISA KOLOSOVA für ihren Film CHARLY
Das Kino ist ein Messgerät.
Hier misst das Kino – und nur das Kino kann das so tun – wie der Umgang mit den Bildern ein gleichzeitig radikal persönlicher und radikal öffentlicher wurde. Und wie dies alle Beziehungen ändert. (...) Ein Film, in dem es zum einen, um die psychischen Krankheiten geht, über die die drei Figuren definiert sind. Und ein Film, in dem zum anderen im Laufe der Tage die Rollen wandern. Die einen sich als gesünder definieren am anderen, den sie als kranker empfinden. Wo aus einem Gleichsein langsam auch Ausbeutungsverhältnisse, Abgrenzungsverhältnisse deutlicher werden: Die Bilder, auch im scheinbar privaten, folgen ihrer eigenen Logik, verlangen Steigerung, verlangen Gestaltung. Mediale Realität, die Sicherheit scheint, und zugleich paranoischer wird. Gegenseitige Anziehung die von Manipulation nicht mehr unterschieden ist. Angstgefühle, die gleichzeitig Machtfantasien sind. Die sozialen Medien sind vor allem eins: Beschleuniger und Kondensatoren.
All dies ist so spannend, weil eigentlich nichts geschieht. Ein wenig wird gesprochen, und doch schaue ich gebannt zu. Weil es wirklich ist. Und ich zugleich weiß, dass es nicht wirklich ist. Genau dies ist die Beschreibung der neuen Wirklichkeit. Das Kino ist ein Messgerät. Die Messung findet im Zuschauer statt. In diesem Fall in mir. Selten habe ich prägnantere Figuren einer Erzählung erlebt. Sie sind mir geblieben.
Das Kino ist ein Messgerät.
Es kann alles messen. Das Herz der Messung aber ist der Zuschauer selbst. Wie Charly, nach dem Zerbrechen ihrer Lebensbeziehung traumartig durch Deutschland wandernd sich und ihre Weltsicht wieder aufbaut und heilt, das ist das eine, was hier erzählt wird. Wie aber ein Deutschland und Menschen, Situationen, die allesamt unter der medialen Ausbeutung verschollen sind, hier wieder langsam sichtbar werden, das ist das andere. Es ist nichts, was erzählt wird. Es ist eher etwas, was dem Zuschauer zustößt. Im besten Sinne des Wortes. Eine fast unmerkliche Öffnung der Sinne. Eine Öffnung kann man nicht wollen. Eine Öffnung geschieht. Und das ist das Problem. Zerrissen zwischen der Uneigentlichkeit ihrer Wünsche und ihrer persönlichen Stärke erlebt Charly das Zerbrechen ihrer Lebensbeziehung, und das ist nur konsequent. Aus der Uneigentlichkeit der eigenen Wünsche aufzutauchen ist umso schwerer, je stärker man ist. Auch die Personen, denen Charly begegnet folgen uneigentlichen Wünschen, leben in einer Gesellschaft in der das Uneigentliche die Norm ist. Charlys irrender Reise folgend bewegt sich schließlich auch die Form des Films: Fort von einer Logik des persönlichen und narrativen Funktionierens und hin zu einer Logik der Vernetzung, der Zufälle die nutzlos erscheinen, und doch in einen Sinn fallen. Dem schauen wir zu. Einer Häutung, die zum Wachstum wird. Langsam, vielschichtig, poetisch.
Und es blieb mir. Blieb im Herzen dieses Messgeräts Kino, das ich als Zuschauer notwendig selber bin. Als Beschreibung unserer Gesellschaft. Und eines der möglichen Gegenmittel. Einer Abkehr vom Wollen.
Wir gratulieren den beiden Preisträgern sehr herzlich und freuen uns auf ihre nächsten Filme in HoF
Mit vielen Grüßen
Ana Radica und das Filmtage Team