Lena Ferben ist seit Jahren mit ihrem Mann Tore verheiratet, als sie sich plötzlich verliert. Retrograde Amnesie sagen die Ärzte zu Lenas Zustand; eine nicht diagnostizierte Gehirnentzündung ist der Grund. Die Folge: sie hat keinen Zugriff mehr auf das, was die Medizin als biographisches Gedächtnis bezeichnet. Und wie seltsam das Gehirn doch funktioniert: Die Sprache ist noch vorhanden, doch die Wörter an keine Erfahrung geknüpft. Komik... Treue... Geschlecht... Liebe... Ehemann...
Begriffe schwebend im luftleeren Raum, abgeschnitten von der Erdung ihrer Bedeutungen. Tore versucht, Lena den Weg zu ihr zu zeigen, wer er für sie war und wer sie für ihn. Eine Nacherzählung bereits erlebter Realität. Aber während ihre Umwelt nur den Verlust der alten Lena empfindet, bewegt sie sich selber auf eigenen Wegen. Wie ist es wohl, diese Lena Ferben zu sein? Lena probiert es aus, wie ein Schauspieler eine Rolle probiert, während in ihr zur gleichen Zeit etwas Neues entsteht, eine eigene, individuelle Persönlichkeit, die sich dagegen wehrt, das zu tun, wozu Lenas ganze Umwelt sie ermutigt und drängt: Sie selbst zu werden.
„Für Lena ist nichts mehr selbstverständlich, darin liegt auch die Chance ihrer Situation. Der Film konzentriert sich ja weniger auf den Krankheitsfall als auf die Frage: Was ist Identität? Kann man das Ich rekonstruieren oder neu konstruieren oder vielleicht sogar abschaffen? Lena entdeckt ihre alten Tagebücher, die sie staunend durchforscht, sie verkleidet sich, entwickelt einen Geschmack, der ihren Mann befremdet und sucht nach einem Echo in sich selbst, nach echten Erlebnissen. Das ist mit der Schauspielerei schon vergleichbar. Aber die bleibt ein Spiel, eine Verabredung zwischen den Menschen auf der Leinwand und denen im Publikum – vergessen zu wollen, dass gespielt wird. Bei Lena geht es noch weiter: Ich spiele eine Figur, die versucht, etwas zu spielen.“
Maria Schrader